Tanja Pol: Mein Besuch bei Silke Bachmann

Im Februar 2020 durfte ich bei Silke Bachmann einen Atelierbesuch machen. Ich fuhr mit der U3 nach Moosach, und war überrascht, hier Gebäude vorzufinden, die wie Bauernhäuser aussehen. Ich lief in Richtung Botanikum, die Straße führte vorbei an Wiesen und einem Feld mit Gemüseanbau. Am Rande eines nicht sehr dichten Wäldchens dann das Schild: Botanikum. Ich bin jetzt noch beeindruckt von diesem Ort. Im Münchner Stadtgebiet stehen plötzlich zu Künstlerateliers umgewandelte Gewächshäuser in einem kleinen Wald. Als ich das Gewächshausatelier betrete, bin ich völlig fassungslos, denn hier wird nicht nur gemalt und gezeichnet, hier wachsen immer noch üppige Callas, ich sehe zum ersten Mal einen riesigen Geldbaum blühen, eine Monstera streckt sich aus. Zwischen diesen Pflanzen hat Silke Bachmann ihre verschiedenen Arbeitsplätze angeordnet. Sie malt sehr großformatige Bilder an einer fahrbaren Wand, auf einem Tisch entstehen kleine Leinwandformate, an einem weiteren Tisch arbeitet sie an ihren Papierarbeiten. 



Silke Bachmanns Bildwelten sind surrealistisch. Einige Tage zuvor hatte ich die FANTASTISCHE FRAUEN Ausstellung in der Schirn gesehen, unter anderem mit Werken von Bridget Tichenor, Leonor Fini und Remedios Varo. Irgendwie schien das kein Zufall zu sein.



Auch in den Malereien von Silke Bachmann werden Geschichten erzählt von fantastischen Welten und Wesen. Die Künstlerin lädt uns ein in fleischige, sinnliche Höhlen, oft in warmen, dunklen Rottönen gehalten. Es bleibt unklar, wo wir uns befinden. Perspektive wird angedeutet, aber manchmal auch nicht. Hier tun sich Abgründe auf, Untiefen, es ist ein wenig unheimlich, manchmal dunkel, aber nicht düster. Im Gegenteil, ihre Tierwesen, die oft an Nacktmulle oder Nagetiere erinnern - der Mull ist ein unterirdisch lebendes Säugetier, das Bachmann fasziniert - ihre Gestalten und Figuren erscheinen verspielt und freundlich. Chimären im Ballkleid mit Tierkopf schauen uns aus dem Bildraum an. Es wird eigentlich nicht allzu viel erzählt, und gleichzeitig wird ganz viel Raum geschaffen für Narrative, vielleicht Projektionen, die der Betrachter einbringt. Man denkt an Körper, ja man spürt sie fast, Wärme, Abgründe, Sinnlichkeit, Organisches. Es scheinen zeitlose Bildräume zu sein. Vielleicht hat auch das etwas mit den Nacktmullen zu tun, die blind unter der Erde leben, in ewiger Dunkelheit, ohne zu altern, wie Wissenschaftler herausgefunden haben. Aber vor allem musste ich persönlich an eine Traumlogik denken. Treppen, die nirgendwo hinführen. Chimären, die unverständliche Zeichen geben an unbekannten, dennoch irgendwie vertrauten Orten. Bachmann beschäftigt sich auch intensiv mit dem Unbewussten. Das ist nicht so mein Thema, aber ich sehe es dennoch in ihren Bildern, welche Relevanz es hat als zugrunde liegende Konstante.



Bachmanns Papierarbeiten haben eine ganz eigene Qualität. Sie trocknet und presst Callablüten und schöpft ihr eigenes Papier. Es entstehen so Zeichengründe in organischen Formen, auf denen sie reduziert Figuren und Linien aufbringt: Ein Monsterablatt mit Gesicht, eine rundliche Nierenform, insgesamt eine reduzierte Farbigkeit. Ein Minimalismus, der aber sehr reich erscheint in der Vielfalt. Sie bilden einen größeren Zusammenhang, sie werden gruppiert, als hätten sie ein Eigenleben. Sie bilden Familien.



Mich persönlich haben die Bildwelten der Künstlerin sehr überzeugt, denn mich interessiert der weibliche Blick, Geschichten vom Körper, Figuration, Malerei, die sich traut, sinnlich zu sein, in der Geste, oder wie hier, in der Erzählung. Und einmal mehr bin ich überzeugt worden von meiner eigenen Theorie: Künstler*innenateliers sind magische Orte.



März 2020